Ein moralischer Zwiespalt: Russland und die Ukraine
Autoren: Ellen Hall und Konstantin Friedrich
Datum: 10.05.2022
Wir sind Ellen und Konstantin von unserer Schülerzeitung Inside-Pater und sind durch die russische und ukrainische Herkunft unserer Mütter mit dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine in Berührung gekommen. Die momentane Situation ist demnach auch für uns indirekt Betroffene schwierig und veranlasste uns, diesen Artikel zu verfassen.
Aufgrund der momentanen Konfliktsituation zwischen Russland und der Ukraine haben wir uns dazu entschlossen, einen Artikel über unser Empfinden bezüglich der ganzen Ereignisse zu schreiben und Euch somit hoffentlich ein besseres Verständnis dafür zu geben. Beispielsweise sind wir in diesem Fall auch betroffen, da wir die Auswirkungen des Krieges ebenfalls zu spüren bekommen. So sind wir zwar in Deutschland geboren, unsere Mütter sind jedoch russischer bzw. ukrainischer Herkunft. Daher haben wir natürlich auch Verwandte und Freunde, welche in diesen beiden Ländern leben. Somit habe ich, Konstantin, durch meine Freunde, welche geflohen sind und jetzt hier leben, sowie meine Mutter, die ziemlich mitgenommen ist, einen direkten Bezug zu diesem Geschehen. Dabei war die Flucht für unsere Freunde keineswegs einfach: Das Problem ist, dass selbst Zivilisten unter Beschuss stehen, weshalb unsere Bekannten erst lange überlegen mussten, ob sie diese gefährliche Reise voller Komplikationen auf sich nehmen sollen. Meine Mutter konnte sie aber zu unserem Erleichtern an der polnischen Grenze abholen und in Sicherheit bringen. Mein Freund geht mittlerweile auf das PRMG. Es ist aber keineswegs so, dass es meiner Familie dadurch gut geht, denn meine Großmutter, die in Russland lebt, ist schwer krank und kann aufgrund der durch den Krieg ausgelasteten Krankenhäuser nur bedingt versorgt werden. Dazu kommt noch, dass kein Geld zur Behandlung vorhanden ist. Zum einen wegen des massiven Absturzes des Rubels (russische Währung), zum anderen infolge der Probleme mit der Überweisung von Geld. Die Ursache dafür ist, dass Russland vom internationalen Bankensystem SWIFT ausgeschlossen wurde, weshalb meine Mutter auch keine Zahlungsmittel an meine Großmutter schicken kann.
Genauso auch bei mir, Ellen. Meine Familie wird durch die momentane Situation ebenfalls enorm auf die Probe gestellt, da meine Babuschka (Oma) sich immer noch in Russland aufhält und mit der dort stark verbreiteten Propaganda konfrontiert wird. Dies ist durchaus schwer für uns, weil wir seit mehr als einem Jahr damit beschäftigt waren, es zu ermöglichen, sie wieder einfliegen zu lassen, vor allem aber ist es emotional fordernd, dabei zuzusehen, wie sie damit kämpft, die Hoffnung nicht zu verlieren. Am Anfang war es uns zumindest noch möglich, regelmäßigen Kontakt mit ihr zu halten, was aber inzwischen auch erschwert wurde. Diese Tatsache ist nicht nur für meine Mutter beängstigend, sondern auch für mich, da ich Angst habe, sie nie wieder zu sehen und es das letzte Mal, als ich sie gesehen habe, nicht richtig wertzuschätzen wusste. Mich quälen seither viele Gedanken diesbezüglich, da mir dadurch erst wirklich bewusst geworden ist, wie wenig man das, was man hat, eigentlich zu schätzen weiß. Diese Erkenntnis lässt sich aber auch auf die gesamte Situation beziehen, da die Menschen in der Ukraine und Russland ebenfalls mit vielen Verlusten von ihnen selbstverständlichen Dingen klarkommen müssen. Ich denke, dass es für meine Familie und mich vor allem deswegen so schwer ist, da der Fokus momentan mehr auf den Umständen in der Ukraine liegt und die normalen Zivilisten, sowie Menschen russischer Herkunft außen vor gelassen werden. Das äußert sich vor allem durch das Unwissen der beispielweisen deutschen Bevölkerung, die grundlos auf Leute, welche Russisch sprechen, losgehen und diese ohne besseres Wissen verurteilen. Sogar ich, die in Deutschland geboren ist und nicht einmal perfekt Russisch spricht, habe so eine Situation erlebt. Es ergab sich aufgrund einer Aussage, die meine Lehrerin traf. Jene Aussage bewirkte, dass eine Schülerin aus meiner Klasse auf mich zukam und folgendes äußerte: „Aber wenn ein ukrainischer Schüler neben dich gesetzt wird, hat er ja Angst, weil du bist ja eine von denen, die ihn bombardieren.“ Mich erschütterte dieses Verhalten extrem, da mir nicht klar ist, wieso die Russen als schlecht pauschalisiert werden, obwohl sie doch auch nur Menschen sind, die größtenteils nicht mit dem Krieg zufrieden sind. Nun könnte man sich fragen, wieso dann nicht Tausende oder sogar Millionen Menschen in Russland auf die Straße gehen. Die Antwort ist ganz einfach, sie können nicht, weil sie sich und ihre Familien schützen müssen und sich nicht für eine Demo „opfern“ können.
Endappell:
Demnach ist es uns abschließend wichtig anzumerken, dass nicht alle Russen für den Krieg verantwortlich sind, vor allem jene, die länger außerhalb von Russland leben. Im Moment sollte jedoch der Fokus auf der Hilfe für die Ukraine liegen. Zuletzt ist es uns ein Anliegen, Euch folgenden Satz mit auf den Weg zu geben und euch zum Nachdenken anzuregen: Frieden fängt damit an, dass man alle wie Menschen behandelt.